Viele Kirchen beginnen schon im Grundschulalter mit dem Konfirmandenunterricht
08. März 2012
“Darf ich die Dose aufmachen?” – Sechs Augenpaare schauen in die kleine graue Plastikdose, in der münzgroße Oblaten liegen. “Das sind Hostien”, erklärt Anna Höfer. Zusammen mit Jos Staiger gestaltet sie für ihr Kind und weitere fünf Drittklässler aus Deckenpfronn bei Böblingen den sogenannten “Konfi 3”-Unterricht. Bei diesem Modell werden die Konfirmanden im dritten und achten Schuljahr statt in der siebten und achten Klasse unterrichtet.
Der Unterricht in der dritten Klasse sei eine wichtige Station zwischen Taufe und Konfirmation, sagt Martin Hinderer, der das württembergische Konfi-3-Modell entwickelt hat. Er sieht darin auch eine “Reaktion auf die nachlassende kirchliche und religiöse Sozialisation”. Rund die Hälfte aller evangelischen Landeskirchen in Deutschland bieten solche oder ähnliche Modelle mit einem frühen Start des Konfirmandenunterrichts an.
Neben dem üblichen Konfirmandenunterricht in der Mittelstufe, den ein Pfarrer hält, werden bei Konfi 3 auch die Eltern einbezogen – ähnlich wie beim katholischen Kommunionsunterricht. In Kleingruppen vermitteln sie in drei bis sechs Monaten bei wöchentlichen Treffen ihren und anderen Kindern Themen wie “Abendmahl” und “Taufe”. Jede Einheit schließt mit einem gemeinsam gestalteten Gottesdienst ab, darunter auch ein Tauferinnerungs- und ein Abendmahlgottesdienst.
“Warum heißt das eigentlich Abendmahl? Wir essen das Brot doch morgens im Gottesdienst”, fragt Sandra. Das Mädchen mit dem blonden Pferdeschwanz geht zu Konfi 3, “weil ich an Gott glauben will”, wie sie sagt. Kinder im Alter von acht bis neun Jahren sind religiös sehr empfänglich, sagt Kristina Schnürle, Dozentin für Konfi 3 im Pädagogisch-Theologischen Zentrum der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. “Viele Kinder fragen in dieser Zeit nach Gott und beschäftigen sich mit Tod und Sterben. Man vergibt eine große Chance, wenn man auf das Interesse der Kinder nicht eingeht.”
Grundschüler seien für symbolische Handlungen wie Brot und Wasser für Abendmahl und Taufe meist empfänglicher als Jugendliche, sagt Schnürle: “Konfi 3 ist ein kirchliches Angebot, das sich vom Religionsunterricht unterscheiden soll. Es geht nicht nur um Wissensvermittlung, sondern darum, dass Kinder Kirche erleben.”
Die vier Mädchen und zwei Jungs, die um den Esszimmertisch von Familie Staiger sitzen, üben für das erste Abendmahl ihres Lebens. Anna Höfer gibt jedem eine Hostie. “Am besten bildet ihr mit der Hand eine Schale, in die das Brot oder die Hostie hineingelegt wird”, sagt Höfer. “Die sind aber klein, wie eine Tasse für Puppen”, ruft Sandra und hält einen kleinen silbernen Abendmahlkelch in die Luft. “Ja, es gibt die kleinen Einzelkelche, da passt für jeden nur ein Schluck Traubensaft hinein. Oder es gibt große Kelche, aus denen trinkt man gemeinsam”, erklärt Jos Staiger den kleinen Konfirmanden.
Der Tübinger Professor für Religionspädagogik Friedrich Schweitzer hat das Konfi-3-Modell in Württemberg wissenschaftlich untersucht. Er fand heraus, dass auch Eltern profitieren: Mehr als die Hälfte der Eltern gab an, dass die ehrenamtliche Mitarbeit ihnen selbst gut tue. Knapp 50 Prozent der mitarbeitenden Mütter und Väter hatte durch Konfi 3 zum ersten Mal intensiveren Kontakt zur Kirche.
Die Idee für einen Konfirmationsunterricht im Kinder- und Jugendalter hatte Pastor Hans-Wilhelm Hastedt bereits 1976. Der Pastor der hannoverschen Landeskirche verteilte in seiner Gemeinde in Hoya den zweijährigen Unterricht statt auf die siebte und achte Klasse auf das vierte und achte Schuljahr. Damit wollte er erreichen, dass Kinder schon früher mit biblischen Geschichten vertraut werden. Heute gibt es in fast einem Viertel der Gemeinden der hannoverschen Landeskirche das “Hoyaer Modell”.
In der letzten Konfi-3-Stunde in Deckenpfronn misst Jos Staiger die Körpergröße jedes Kindes und vergleicht sie mit der Größe, die die Drittklässler zu Beginn der Konfi-3-Zeit hatten. Lena ist jetzt ganze 1,35 Meter groß. “Ich bin zwei Zentimeter gewachsen”, verkündet sie stolz. “Hoffentlich sind die Kinder auch in ihrem Glauben gewachsen”, sagt Anna Höfer. (epd)